BIOGRAPHISCHES

BIOGRAPHISCHES

Biographisches

Am 19. Februar 1961 zu Beginn des Wirtschaftswunders wurde ... „ unser Sonntags Mädchen“ geboren. So begann mein Leben.
Meine Eltern Eva und Herrmann geboren 1939 mitten im Krieg. Beide ertaubt, mein Papa durch eine Gehirnhautentzündung, Mama durch eine Kinderlähmung. Beide im Krieg von meinen Großmüttern wohl behütet. Die Väter waren Soldaten im Krieg und sind im Krieg gefallen. In den Kriegswirren mussten beide tauben Kinder dauernd versteckt werden. Die Kinder, hätten als taube Kinder nicht überlebt. Die Nazis durften sie nicht finden. Für Behinderte galt Euthanasie. Gehörlose wurden sterilisiert. 1945 Kriegsende, die Sorgen der Großmütter, dass die Kinder nicht überleben können war vorbei. 


Die „Taubstummen Anstalt“ in Euskirchen und die „Gehörlosen Schule“  in Aachen waren die Schulen, in denen Mama und Papa beschult wurden. Es galt die „orale“ Erziehung. Das erlernen der gesprochenen Sprache war das allerwichtigste. 1958 im Gehörlosenverein Düren trafen sich beide. Mama war dabei ihre Lehre als Schneiderin zu beenden und befand sich im Umzug in die Großstadt Bochum. Sie wollte in der Nähe ihrer Geschwister sein, die dort lebten. 
Papa hatte sich in Mama verliebt, konnte sie aber nicht in seiner  Nähe behalten. Also fuhr er einmal im Monat von Kreuzau mit dem Fahrrad nach Bochum. Über 2 Jahre lang, 1960 heiraten die beiden und dann neun Monate später begann mein Leben. Ich kann hören. Ich war immer der Mittelpunkt im Leben der beiden. Untereinander, also zuhause wurde in Gebärdensprache kommuniziert. Auf der Straße lieber nicht, ich sollte meine Hände dann nicht bewegen. Warum war mir nicht bewusst. Ich wollte doch nur kommunizieren! Durch das  Wirtschaftswunder und dem sozialen Wohlstand ging es mir prächtig. Papa, der seine Ausbildung als technischer Zeichner gemacht hatte, arbeitete mittlerweile als Maschinenschlosser in einer Papierfabrik. Diese Arbeit machte ihm mehr Spaß. Mama hat nach dem Umzug aus der Großstadt aufs Land ebenfalls in einer Papierfabrik begonnen zu arbeiten. Meine Oma war tagsüber für mich da, eine bessere Tagesmutter hätte ich gar nicht haben können.  

 

Viel später bei dem ersten „Kongress zur Förderung und Bildung Gehörloser 1986“ in Hamburg, wurde mir so einiges klar. 
Ich hatte zwischenzeitlich mein Studium als Heilpädagogin absolviert, mit dem Ziel bei Kindern mit Hörschädigung arbeiten zu können. Dies war nicht möglich. Was ich nicht wusste, bis spät in den 80ern war die Gebärdensprache in der Bildung Gehörloser verpönt. Mama und Papa waren mächtig „stolz“ auf mich,. Zugegeben: zuhause drehte sich alles um mich. Ich blieb Einzelkind. Es sollte mir niemals an etwas fehlen. Lautsprachbegleitende Gebärden (LBG) habe ich später erst gelernt, als ich mich für einen anderen Beruf entschieden hatte. Ich wollte wie die Dolmetscherin Regina Leven in Hamburg dolmetschen, was Taube Menschen gebärden. Ich wollte ihre Stimme sein. Diesen Beruf gab es aber noch nicht. Briefe habe ich geschrieben, an Regina Leven. Käthe George als Dozentin für Gebärdensprache angeschrieben um eine Möglichkeit zu bekommen, Dolmetschern für Gebärdensprache zu erlernen. 1992 gab es in Zusammenarbeit mit der Universität zu Köln einen Modellversuch zur Ausbildung zur Gebärdensprachdolmetscherin.  An dieser habe ich teilgenommen. Endlich hatte ich mit meiner Muttersprache auch beruflich zu tun. Endlich konnte ich wie Regina Leven simultan dolmetschen. Aus der nebenberuflichen Nische zur Professionalität:
Von1993 bis 2001ging es mit dem Beruf der Gebärdensprachdolmetscherin los. Es war  ja noch gar kein Beruf. Der Berufsverband gründete sich damals aus 12 Menschen, die LAG Landesarbeitsgemeinschaft der Gebärdensprachdolmetscherinen. Hier war ich Gründungsmitglied. Wir haben um alles gekämpft.  Gesetzliche Anerkennung der Gebärdensprache und um Anerkennung für unsere Tätigkeit. Es wurde die erste Berufs - und Ehrenordnung verfasst. Weißt du noch Steffi? Wow, war das eine Zeit. In der Zwischenzeit habe ich geheiratet. Wir blieben Kinderlos. Reisen, andere Kulturen kennenlernen gehört bis heute zu meinen Lieblingsbeschäftigungen.
2001 gründete ich mit einer Partnerin die Skarabee GbR.
Dolmetscherin für Gebärdensprache ist mittlerweile ein anerkanntes Berufsbild. Heute ist die Skarabee Partnerschaft eine etablierte Firma für Gebärdensprachen.

 

Ich heiratete  2019 erneut. Langsam zurück,  back To the Roots. Ich einstmals Pionierin,  vieles erreicht, immer mit Freude bei der Sache. Mama und Papa mittlerweile im betuchten Alter, immer noch stolz auf mich. Ich auch auf die beiden, auf mich, mein Leben und Werken. Ich möchte mich wieder auf Dolmetschen konzentrieren. Erfahrung als Firmengründerin und Aufbau eine Firma und nicht zuletzt das Managen einer Firma sind wertvolle Erfahrungen, die ich gemacht habe.

 

Ich freue mich auf euch.

 

Nun wird’s ruhiger, weniger kämpfen, vielleicht ein Kampf für eine Bahnstation im Ort, oder dass der Bürgermeister wenigstens auch mal an die tauben Menschen in der Region denkt und seine Reden gedolmetscht werden. Gesetzliche Grundlagen eine Dolmetscherin zu bekommen, und bezahlt zu bekommen gibt’s mittlerweile in vielen Bereichen. Bei Arztbesuchen, im Arbeitsleben, in schulischer Ausbildung usw.  in all diesem Bereichen kann ich tätig sein. Das Bundesteilhabe Gesetz wird zum 01.01. 2020 in Kraft treten, darüber freue ich mich sehr. Die Gemeinschaft der Gehörlosen hat viel gekämpft und viel erreicht.

 

Bin jetzt  groß, Coda Kid wurde Coda (Child of Deaf Adults) 59 Jahre alt. 
Die Kolleginnen, also Dolmetscherinnen für Gebärdensprache beschäftigen sich nun mit Themen wie;  Honorarsätze, Musikdolmetschen, Taube Dolmetscher als Kolleginnen. Vergessen wird dabei allzuoft, dass wir so viele Priviliegien haben. Ich darf die erste in einer Ausstellung  sein, weil ich mich besprechen muss, ehe die Besucher kommen; bin immer sichtbar; darf während meiner Arbeit Orte, wie Gerichte, Hallen, Museen und vieles andere sehen. Treffe täglich neue  Menschen, auf fremde Kulturen, ständig neue  Themen, jung und alt.
Ich habe ein gutes Auskommen und ....ich liebe den Beruf. 

 

Danke für all Euer bisheriges Vertrauen, ich bleibe Euch noch erhalten und freue mich auf 
Euch /Sie.  Ganz bestimmt kenne ich als Coda beide Welten, die der hörenden Menschen, aber auch sehr gut die Welt der Tauben Menschen und bin glücklich darüber.